Schlaf – Verstand – Wissen
Schlaf und Verstand als politisches Problem
Zu Hartmut Böhmes Mosse-Lecture zum Semesterthema Sleep Modes – Über Wachen und Schlafen
Der Schlaf wird aktuell immer stärker zum Scheidepunkt von Wissen, Wissenschaft und Literatur. Als Begriff wird der Schlaf aktuell politisch, wenn die tagesschau vom 15. Januar 2024 um 18:41 Uhr titelt: „Sternfahrer rauben vielen Berlinern den Schlaf.“[1] Das ist ein hochpolitisches Wording, wenn die Bauernproteste in Berlin und Brandenburg den Städtern den Schlaf rauben. Schlafräuber. Schlafwandler. Schlafmützen. Schlafforscher. Schlafvermesser. Schlafentzieher. Das wären nur einige Kombinationen, die politisch den Schlaf behelligen oder bis zur Folter verunmöglichen. Der Schlaf als Feld des Wissens wird umkämpft. Hartmut Böhme hielt am 11. Januar im Auditorium des Wilhelm-und-Jacob-Grimm-Zentrums der Humboldt Universität zu Berlin seinen Vortrag: Schlaf der Vernunft: Zur politischen Deutung von Müdigkeit, Schlaf, Schlafwandeln, Traum und Erwachen.
Ulrike Vedder erinnerte in ihrer Anmoderation des Vortrags sowohl an Hannah Ahlheims Vortrag Die Vermessung des Schlafs und das Zeitregime der Moderne als vorangegangene Mosse-Lecture wie auch die Vermessung bestätigende Wissenschaftsnachricht, dass Zügelpinguine nur wenige Sekunden schliefen.[2] Mit immer neuen Methoden wird der Schlaf vermessen und bewertet. So auch mit digitalen Sportuhren, die den „durchschnittlichen täglichen Nachtschlaf“ messen und nach seiner Kontinuität wie Tiefe bewerten. Der Nutzen wird dann in „Längere Lebenserwartung“, „Gesundheit des Herzens“, „Gesundheit des Stoffwechsels“, „Gesundheit von Muskeln und Knochen“, „Gewicht und Körperzusammensetzung“ sowie „Mentales Wohlbefinden“ per Punktesystem verrechnet und in einen „Aktivitätsnutzen“ übersetzt: „Was für eine großartige Woche! Du hast wirklich … Dein Geist wird wacher sein und dein Körper wird besser aussehen und sich besser anfühlen.“[3]
Ulrike Vedder schlug mit Franz Kafka den Bogen zum Schlaf von ungewöhnlicher Dauer und der Schlaflosigkeit in seinen Tagebüchern. Bereits am 19. Januar 1911 notiert Kafka „»im letzten Jahr bin ich nicht mehr als 5 Minuten lang aufgewacht«“[4], was Reiner Stach in seinem biographischen Buch Kafka von Tag zu Tag wichtig genug war, um die bedenkenswerte Formulierung zu zitieren. Hatte Kafka also das ganze Jahr 1910 nur geschlafen? Der Dauerschlaf findet am 2. Oktober 1911 sein Pendant in dem Tagebucheintrag „Schlaflose Nacht“. Kafka beobachtet sich, seinen Schlaf bzw. Schlaflosigkeit genau und wird von Träumen heimgesucht:
„Schon die dritte in einer Reihe. Ich schlafe gut ein, nach einer Stunde aber wache ich auf, als hätte ich den Kopf in ein falsches Loch gelegt. Ich bin vollständig wach, habe das Gefühl, gar nicht oder nur unter einer dünnen Haut geschlafen zu haben, habe die Arbeit des Einschlafens von neuem vor mir und fühle mich vom Schlaf zurückgewiesen. Und von jetzt an bleibt es die ganze Nacht bis gegen fünf so, daß ich zwar schlafe, daß aber bald starke Träume mich gleichzeitig wachhalten. Neben mir schlafe ich förmlich, während ich selbst mit Träumen mich herumschlagen muß.“[5]
Die Gleichzeitigkeit von Träumen und Schlaflosigkeit bzw. 1910 von Dauerschlaf und einem nicht Erwachen können, gibt zu denken. Gegenüber dem Zitat bei Stach ist die Formulierung vom 19. Januar komplexer und widersprüchlicher, wenn es nach einem Gedankenstrich heißt: „– jeden Tag entweder mich von der Erde wegwünschen müssen oder aber, ohne daß ich darin auch die mäßigste Hoffnung sehen dürfte, von vorn als kleines Kind anfangen müssen.“ Der sechsundzwanzigjährige Kafka kann das Wachen und das Träumen ebenso wie den Schlaf und die Schlaflosigkeit schwer bzw. nur in einem Paradox formulieren: „Neben mir schlafe ich förmlich, während ich selbst mit Träumen mich herumschlagen muß.“
Franz Kafka lässt auch am nächsten Tag das Einschlafen als Grenzerfahrung nicht los. Nicht nur das Erwachen wird als Schwierigkeit formuliert, vielmehr ist es schon das Einschlafen, an dem ihn die Träume hindern. Träume, die ihn vor dem Schlaf noch im Einschlafen am Schlafen hindern. Als sei es ein Vorwissen der Träume, die den Schlaf durchkreuzen, bleibt der Schlaf dem Wissen unzugänglich. Die Träume, „die schon ins Wachsein vor dem Einschlafen strahlen“, lassen Kafka „nicht schlafen“. Das Verhältnis von Schlaf, Wachsein und Träumen wird als ein ebenso hinderlich vertracktes wie am Wissen vom Schlaf scheiterndes beschrieben.
„Die gleiche Nacht, nur noch schwerer eingeschlafen. Beim Einschlafen ein vertikal gehender Schmerz im Kopf über der Nasenwurzel, wie von einer zu scharf gepreßten Stirnfalte. Um möglichst schwer zu sein, was ich für das Einschlafen für gut halte, hatte ich die Arme gekreuzt und die Hände auf die Schultern gelegt, so daß ich dalag wie ein bepackter Soldat. Wieder war es die Kraft meiner Träume, die schon ins Wachsein vor dem Einschlafen strahlen, die mich nicht schlafen ließ.“[6]
Hartmut Böhme wandte sich mit seinem Vortrag der Kulturgeschichte des Schlafes zu, indem er eröffnend aus Blaise Pascals 1669 postum erschienenen Gedanken über die Religion (Pensées sur la religion et autres sujets) zitierte. – Hier muss eingefügt werden, dass die Künstliche Intelligenz der Microsoft-Suchmaschine Bing auf die Suchanfrage „Blaise Pascal niemals erfassen, wenn wir wachen“ antwortet: „Ich bin mir nicht sicher, was Sie mit dieser Aussage meinen. Es scheint, dass es sich um ein Zitat von Blaise Pascal handelt, aber ich verstehe nicht, was es bedeutet. Könnten Sie bitte mehr Kontext oder Informationen bereitstellen, damit ich Ihnen besser helfen kann? 😊“ Allerdings listet Bing immerhin an erster Position die Gedanken. – In der Frühaufklärung wird Blaise Pascal mit der Frage nach dem Wachen zum Kritiker:
„Ferner hat niemand außer dem Glauben eine Sicherheit, ob er wacht oder schläft, indem man während des Schlafs nicht weniger fest glaubt zu wachen, als wenn man wirklich wacht. Man glaubt die Räume, die Gestalten, die Bewegungen zu sehn, man merkt, wie die Zeit verläuft, man mißt sie, kurz man handelt ganz wie wach. Also da die Hälfte des Lebens nach unserm eignen Zugeständniß im Schlaf vergeht, wo wir, obgleich es uns so scheint, doch keine Idee des Wahren haben, indem dann alle unsre Empfindungen Täuschungen sind, wer weiß, ob jener andre Theil des Lebens, wo wir zu wachen meinen, nicht ein vom ersten nur etwas verschiedener Schlaf ist, aus dem wir erwachen, wenn wir zu schlafen meinen, wie man oft träumt, daß man träume und so Traum auf Traum häuft?“[7]
Insofern als es mit der Philosophie der Aufklärung selbst um eine Literatur des Erwachens und Berechnens, vielleicht gar des Berechnens als Erwachen, ja, heute gar des Rechnens einer KI als Wachen geht, nimmt der Mathematiker Blaise Pascal aus Clermont-Ferrand im von seinen Freunden zusammengestellten Abschnitt „Auffallende Widersprüche, die sich in der Natur des Menschen finden, in Betreff der Wahrheit, des Glücks und mehrerer anderer Dinge“ eine bedenkenswerte Haltung ein. Er hatte, um ein wenig vom Vortrag Hartmut Böhmes abzuweichen, 1652 eine Rechenmaschine mit Zahnrädern erfunden, die heute als Pascaline benannt wird. Rudolf Taschner nannte sie 2012 in einem Vortrag Die denkende Maschine.[8] Die Frage des Wachens und Träumens schneidet das Denken, das durch eine Maschine vorgenommen werden kann. Denn Pascal, der Konstrukteur, gibt zu bedenken, dass man im Traum wie im Wachen handelt und misst: „Man glaubt die Räume, die Gestalten, die Bewegungen zu sehn, man merkt, wie die Zeit verläuft, man mißt sie, kurz man handelt ganz wie wach.“ Trotz des Messens und der Rechenmaschine kann das Pascalsche „man“ sich, können wir uns des Wachens nicht versichern.
Hartmut Böhme entwickelte mit seiner kulturgeschichtlichen Fragestellung nach dem Politischen des Schlafes nicht zuletzt mit Christopher Clarks Buch The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914 eine literaturhistorische Kritik.[9] Denn Clark oder sein Verlag hätte lediglich den Begriff Sleepwalker bzw. Schlafwandler ohne Erkenntnisgewinn benutzt, ohne dessen Implikationen zu Robert Musils Mann ohne Eigenschaften (1930) oder Hermann Brochs Die Schlafwandler (1930) als Romane zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs auch nur zu erwähnen. Die Figuren bei Musil und Broch würden von einer historischen Dynamik überrollt. Das Wissen der Literatur vom Schlafen und Schlafwandeln sei ungenutzt geblieben. Der Wink mit dem Begriff aus der Literatur bleibe inhaltlich folgenlos. Daraufhin entbrannte später ein Dissens mit Lothar Müller, dass weder Clark noch seinem Verlag der für Literaturkenner griffige Titel zur Last gelegt werden könne. Christopher Clark entfaltet allerdings in seiner Einleitung ein Problem der Überfülle des historischen Wissens als einem „Überangebot an Quellen“[10] und „immer noch beträchtliche(n) Wissenslücken“.[11] Er schreibt, mit anderen Worten, einem linearen Wissen von Geschichte entgegen. Der Wissensmodus der Schlafwandler bleibt dagegen schwankend: schlafend und willenlos begeben sie sich in Gefahr oder verursachen (politische) Katastrophen.[12]
Der Erkenntnisgewinn durch die Schlafwandler wäre dann, das ständig postulierte Wissen in den Quellen vom Anderen, generell in Frage zu stellen. Stattdessen bringt das Ereignis des Attentats von Sarajewo in seiner unzugänglichen Ereignishaftigkeit den Weltkrieg zum Ausbruch. „Die serbischen Organisationen, die mit dem Attentat zu tun hatten, waren extrem verschwiegen und hinterließen so gut wie keine Spuren.“[13] Wer kannte denn in Europa und der Welt ein Volk der Serben? „Während der Kieler Woche an Bord seiner Yacht Meteor erfährt der Kaiser vom Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz-Ferdinand durch serbische Nationalisten. Die Regierungen in Wien und Berlin drängen den Kaiser seine alljährliche Nordlandreise unbedingt, wie geplant, anzutreten“, heißt es in Peter Schamonis Dokumentarfilm Majestät brauchen Sonne – Wilhelm II. (1999).[14] Christopher Clark weist in seiner Geschichte auf die „Elemente des Zufalls“[15] hin, die zum Ausbruch des Weltkrieges geführt hätten. Mit anderen Worten: die Figur des Schlafwandlers beschreibt ein performatives Wissen zwischen Verstand, Schlaf und Wachen. Retrospektiv mag der Schlafwandler einen Weg zurückgelegt haben, von dem er aber nicht wusste, dass er ihn beschreitet.
Ausführlich ging Hartmut Böhme auf die Emblematik von Francisco de Goyas Radierung/Aquatinta El sueño de la razón produce monstruos (1799) ein.[16] Die Emblematik in ihrer Kombinatorik von Bild und Text wird durch die spanische Inschrift am Tisch oder auf einem Tischtuch insofern uneinholbar mehrdeutig, weil el sueño mit Schlaf, Traum, Schlummer, Wunschdenken ins Deutsche übersetzt werden kann. Während im Deutschen Schlaf und Traum, wenn auch mit gewissen Schwierigkeiten wie bei Kafka unterschieden werden können, fallen sie mit el sueño in eins. Syntagmatisch machen der Schlaf der Vernunft und der Traum der Vernunft indessen sehr wohl einen Unterschied. Wäre die Vernunft oder der Verstand, was sich beides mit la razón übersetzen ließe, nur ein Traum, dann könnte der Verstand eben zugleich Monster produzieren. Wenn aber der Schlaf der Vernunft, also ein abgeschalteter Verstand Monster in Form von Katzen, Fledermäusen und Eulen produzierte, dann könnte der Verstand immerhin eine Rettung vor Monstern versprechen. Zugleich bleibt die emblematische Zoologie mehrdeutig.
Eulen und Fledermäuse verbreiten in der Ikonographie nicht nur Schrecken, wozu ein zeitgenössisch-populäres Bildwissen verleiten könnte. Eulen werden seit der griechischen Antike und ihrer Wiederkehr als Symbol des Wissens schlechthin verwendet. Im Turm des Herzogspalasts von Dijon, Palais des ducs de Bourgogne, der heute als Aussichtsturm über die Stadt genutzt wird, ist eine Fledermaus über die Tür zur Bibliothek eingearbeitet. Im südlichen Europa, Frankreich und Spanien zumindest, sind nicht nur Eulen, sondern auch Fledermäuse ein Bild für Wissen und Wissenschaft. Die in der Aquatinta-Radierung wie im Traum an den Schreibtisch als Raum des Wissens und den Schlafenden herannahenden Fledermäuse und Eulen erhalten zwar monströse Züge, aber sie sind zugleich mit dem Verstand und einem positiven Wissen in ihrer Bildgeschichte verknüpft. Die vermeintlich vor dem Schlaf warnende Inschrift am Schreibtisch – El sueño de la razón produce monstruos – erweist sich als mehrdeutig. Wir wissen nicht, ob Francisco de Goya in seiner politisch intendierten Radierung in der aufwendigen Aquatinta-Technik von der Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit seiner Bildproduktion wusste.
Dass der Traum den Träumenden in eine Welt identitätsloser Wesen der anbrechenden Moderne stürze, wie Harmut Böhme zu Goyas Radierung ausführte, bleibt durchaus fraglich. Vielmehr lässt sich über mehrere Versionen und Stufen der Radierung bis hin zur Verwerfung der Bild-Text-Kombination, die Böhme nachverfolgte, ein Problem der eindeutigen Darstellung von Schlaf und Verstand formulieren. Selbst das vermeintlich so eindeutige Bild der Aquatinta-Radierung Desastres de la Guerra aus der politischen Serie schwankt. Ob es sich um einen Toten oder Schlafenden, einen Soldaten oder Zivilisten, der am Boden liegt, handelt, lässt sich schwer entscheiden. Es könnte sich dem Gesicht nach um einen jüngeren Menschen handeln. Die herannahenden oder auch aus dem liegenden Körper sich herausschälenden, geflügelten Wesen changieren zwischen Eulen und Fledermäusen. Krähen, die Aas fressen, sind es keinesfalls. Wir wissen nicht, ob der oder die Liegende schläft, träumt oder tot ist. Im Kontext der Serie fällt indessen auf, dass die geflügelten Mischwesen nicht eindeutig von außen, sondern aus einem Raum zwischen Innen und Außen in der Radierung kommen. Die kunsthistorische Beschreibung „[A bat-like creature sucking at the chest of the corpse]“ nimmt bereits eine Vereinheitlichung vor, die visuelle nicht gegeben ist.
Auf einer Federzeichnung der Versionen lässt sich ein Ringen Goyas um Wahrheit und Verstand ablesen. Eine Federzeichnung, so komplex sie auch sein mag, ist weit schneller hingezeichnet, als eine Aquatinta-Radierung ausgearbeitet. Am unteren Rand der Version von 1797 formuliert Goya seine „Absicht“, die mit der Bildunterschrift „El Autor soñando.“ wiederum in einem bedenkenswerten Produktionsmodus des Bildes ankündigt wird. Denn der „Autor träumt. Seine einzige Absicht ist es, schädliche Gemeinheiten zu verbannen und mit diesem Werk der Laune das solide Zeugnis der Wahrheit zu verewigen“. Wenn mit dem Autor die Figur am Tisch mit dem Kopf auf der Tischplatte bezeichnet sein soll, dann wird die vermeintlich autonome Figur einer Autorschaft, doch von den Flugwesen und einer Katze mit aufgerissenen Augen einigermaßen heimgesucht. Sollte mit dem Autor Goya von sich selbst geschrieben haben, um sich gegen „schädliche Gemeinheiten“ zu positionieren, dann ist das Wunschdenken – soñando – doch ziemlich vage und gefährdet, weil er ein vieldeutiges Bild schafft.
Die Ambiguität der Bilder und Schriften bzw. der Ikonografie der Träume gibt nicht zuletzt einen Wink auf das von Hartmut Böhme ebenfalls als kulturgeschichtlich entscheidend angeführte Buch Die Traumdeutung von Sigmund Freud aus dem Jahr 1900. Vom Verlag und/oder Freud war das Buch bei seiner Veröffentlichung auf das verheißungsvolle neue Jahrhundert vordatiert worden. Böhme weist daraufhin, dass das für das Wissen von den Träumen und den Menschen vielversprechende Buch von beträchtlichem Umfang mit ca. 700 Seiten, die Leser*innen in einer gewissen Bestürzung zurücklasse, weil man am Ende dann doch so gut wie nichts über den Traum als „Wächter“ oder „Behüter des Schlafes“ wisse. Die Geste, ein geradezu enzyklopädisches Wissen über den Traum mit dem Buch vorzulegen, hat in den seither vergangenen über 124 Jahren ganze Bibliotheken gefüllt. Böhme formulierte es ein wenig anders. Und selbst Franz Kafka dürfte 1911 bei seiner Schlaflosigkeit, seinen Träumen und seiner „Selbsterkenntnis“ von dem Buch wie den und ihm folgenden Schriften, Bildern und Gesprächen nicht isoliert gewesen sein.
Harmut Böhme führte in seiner Mosse-Lecture noch eine Reihe von Beispielen zur Darstellung und Formulierung des Schlafes und der Träume bei Füssli, Lord Byron, Mary Shelley, Plutarch, Foucault und Adorno in Bild und Text an. Über das Politische des Schlafes war er sich selbst ein wenig unsicher. Auf die Suchanfrage „Füssli Schlaf“ antwortet das Ich von Bing: „Ich vermute, dass Sie sich auf das Gemälde „Der Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli beziehen. Es ist ein bekanntes Kunstwerk aus der Romantik-Ära, das eine schlafende Frau zeigt, die von einem dämonischen Wesen heimgesucht wird. Das Gemälde ist auch als „Füssli Schlaf“ bekannt.“ Also ich finde, dass das ein wenig dürftig ist, Bing. Schließlich lässt sich, wie von Böhme vorgeschlagen, die Dreierkonstellation von schlafend-liegender Frau, menschenähnlichem Wesen auf dem Unterkörper der Frau und hinter einem Vorhang zuschauenden Pferdekopf nicht nur romantisch, sondern als Vergewaltigungsfantasie eines Mannes lesen. Im Schlaf schaut ein Subjekt einer Frau im Schlaf zu, das von einem Subjekt beobachtet wird. Doch an der Grenze des Schlafes wissen wir nicht, was sich der Schlafenden zeigt.
Torsten Flüh
Nächste Mosse-Lecture
Do. 25. Januar 2024, 19H c.t.
Samantha Harvey (Bath)
mit Stefan Willer
Brain on Fire:
Insomnia and Sleepwriting
Auditorium
Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
Geschwister-Scholl-Str. 1-3
10117 Berlin
Hartmut Böhmes Lecture
Schlaf der Vernunft
auf YouTube
[1] Tagesschau: Sternfahrer rauben vielen Berliner den Schlaf. 15. Januar 2024, Stand 18:41 Uhr.
[2] Veronika Simon und Ulrike Till: Fast 10.000 Nickerchen am Tag. In: tagesschau, wissen, Forschung vom 02.12.2023 12:35 Uhr.
[3] Polar Flow-Programm.
[4] Reiner Stach: Kafka von Tag zu Tag. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2018, S. 116.
[5] Projekt Gutenberg: Franz Kafka: Tagebücher 1910-1923. Jahr: 1911.
[6] Ebenda 3. Oktober 1911.
[7] Blaise Pascal: Auffallende Widersprüche, die sich in der Natur des Menschen finden, in Betreff der Wahrheit, des Glücks und mehrer anderer Dinge. In: Gedanken über die Religion. Auf Zeno.org.
[8] Rudolf Taschner: Blaise Pascal: Die denkende Maschine. YouTube 21. November 2021.
[9] Christopher Clark: The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914. London: Pinguin, 2012.
[10] Christopher Clark: Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. München: DVA, 2013, S. 9.
[11] Ebenda S. 12.
[12] Siehe zur nicht-linearen Geschichte: Torsten Flüh: Der europäische Bogen der Revolution. Zu Christopher Clarks brillant erzähltem Frühling der Revolution – Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt. In: NIGHT OUT @ BERLIN 11. Oktober 2023.
[13] Christopher Clark: Die … [wie Anm. 10] S. 12.
[14] Peter Schamoni: Majestät brauchen Sonne – Wilhelm II. (D/NL 1999). ca. 1:11:40 bis 1:12:04.
[15] Christopher Clark: Die … [wie Anm. 10] S. 20.
[16] Zur Bildproduktion in Aquatinta siehe: Torsten Flüh: Trauma und Bildfindungen der Teilung, Zur Ausstellung Zweimal Berlin – Blicke auf eine geteilte Stadt in der Salongalerie »Die Möwe«. In: NIGHT OUT @ BERLIN 13. Juni 2019.