Theater – Roman – Pandemie
Vom literarischen Kosmopoliten
Zu Alfred Henschke genannt Klabund – Ick baumle mit de Beene im Theater im Palais und seinem Roman Pjotr – Roman eines Zaren
Der literarische Kosmopolit berlinert und heißt Klabund. Noch zu Kaisers Zeiten hätte Henschke, mit Vornamen Alfred, womöglich ein wenig provinziell geklungen. Im Theater im Palais lassen Gabriele Streichhahn und Carl Martin Spengler begleitet von Ute Falkenau am Klavier Alfred Henschke mit seinen Texten wieder aufleben. In der Neujahrswoche wird der Apothekersohn aus Crossen an der Oder zu einem heiteren Aufmacher des Jahres und der Weltliteratur. Denn Alfred Henschke schrieb in mehreren Sprachen, forderte Kaiser Wilhelm II. 1917 wegen des Krieges in der Neuen Zürcher Zeitung zur Abdankung auf und veröffentlichte 1923, also vor 100 Jahren den Roman Pjotr – Roman eines Zaren. Mit der Eröffnungssequenz schlägt Klabund eine andere Geschichtsschreibung an: „Pjotr ist geboren. Don, Dnjepr, Wolga, Oka treten über ihre Ufer. Schlamm wälzt sich über die Weizenfelder und viele Menschen ertrinken. Winterblumen neigen gebrochen ihre Häupter. Die Haselmäuse pfeifen vor Angst.“[1]
Klabund, auf dessen programmatischen Namen zurückzukommen sein wird, hätte es sich nicht Freude träumen lassen, dass Pjotr im Internet heute als eine PDF der exklusiven Bodleian Libraries der University of Oxford in der 2. Auflage von 1923 allgemein zugänglich ist. Pjotr by Klabund world wide webed. Gabriele Streichhahn und Carl Martin Spengler stellen nun Alfred Henschke neben Walter Benjamin u.a. im Rahmen der Berliner Geschichten im Theater im Palais vor. Klabund ist 2023 aus mehreren Gründen aktuell. 1925 veröffentlichte er in seiner Gedichtsammlung Harfenjule im Berliner Verlag Die Schmiede das Gedicht Die heiligen drei Könige, wurde von der NSDAP angezeigt und veröffentlichte im März einen offenen Brief mit dem Titel Gotteslästerung? in Siegfried Jacobsohns Weltbühne: „was dem einen sein Gott, ist dem andern sein Teufel“. Am 14. August 1928 starb er an den Folgen der langjährigen epidemischen, bakteriellen Tuberkulose. Krieg, Epidemie, Fieber und Tod beeinflussten Klabunds Namenswahl und Schreiben. Er war Kriegsgegner und formulierte seine Texte mit scharfem Witz.
Der Klabund-Abend mit Musik von Friedrich Hollaender, Werner Richard Heymann und Dimitri Kabalewski (1904-1987) im Palais am Festungsgraben ermöglicht einige Verknüpfungen. Bis 1945 war das Palais Amtssitz des Preußischen Finanzministeriums. Davor hatte es schon die Schuch’sche Theatertruppe beherbergt. 1950 bis 1990 wurde es das Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft bzw. Haus der Kultur der Sowjetunion genutzt. Die historische Aufladung des Gebäudes mit seinem anheimelnden Kammertheater mit 99 Sitzplätzen und einzelnen Tischchen zum Abstellen z. B. eines Zsa Zsa Gabor-Vermuth-Cocktails – kriegt man ja auch nicht überall – hätte Klabund ganz bestimmt zu einer humorvollen Geschichte inspiriert. Anno 2023 nach der „Zeitenwende“ wird die kleine Bühne mit den Berliner Geschichten zum Welttheater. Klabund machte Crossen an der Oder beispielsweise mit seinem Grünberger Feldzug zum Schauplatz von Weltgeschichte und mit der Anspielung auf „die geraubte Helena“ zur Weltliteratur. In ca. 1 Stunde und 40 Minuten bringen Gabriele Streichhahn und Carl Martin Spengler die welthaltige Literatur von Alfred Henschke dem Publikum nah. Und die hat’s in sich.
Pjotr, als eine Art satirischer Geschichtsroman wurde von Klabund im November 1922 im „Hause Buller in Speldorf“ geschrieben, wie es auf der Titelseite des Buches heißt. Seit 1916 hatte Klabund mit Moreau. Roman eines Soldaten und Mohammed. Roman eines Propheten (1917) eine neuartige Form der Geschichtserzählung entwickelt. 1928 erschien in diesem Titelformat noch Borgia. Roman einer Familie zu seinen Lebzeiten. Das Haus Buller in Speldorf lässt sich als Schreibort des Romans nicht verifizieren. Möglicherweise handelte es sich um ein Sanatorium an der Ruhr bei Mühlheim. Denn wie schon Moreau von Klabund 1915 in einem Sanatorium für Tuberkulosekranke in Davos entstanden sein dürfte, waren die wechselnden Aufenthalts- und Schreiborte Klabunds mit seiner Tuberkuloseerkrankung verbunden. In Davos regte er gar eine „Literaturgeschichte der Schwindsüchtigen“ zu schreiben an, die das Verhältnis von Isolation, Lesen und Schreiben sowie häufigen Ortswechseln anreißt.
„Man müsste einmal eine Literaturgeschichte der Schwindsüchtigen schreiben, diese konstitutionelle Krankheit hat die Eigenschaft, die von ihr Befallenen seelisch zu ändern. Sie tragen das Kainsmal der nach innen gewandten Leidenschaft.“[2]
Thomas Mann hatte bereits 1913 an seinem Sanatorium-Roman Der Zauberberg zu schreiben begonnen, der erst 1924 erscheinen sollte.[3] Ulrike Moser führt Klabund neben Christian Morgenstern in ihrem Kapitel Das Sanatorium als Lebensform prominent an, als Beispiel für Tuberkulosekranke, die gereist seien „von Sanatorium zu Sanatorium“, „getrieben von der Hoffnung auf Heilung oder zumindest einen kurzen Aufschub“. Klabund habe „immer wieder in Davos“ gekurt, „wo er 1928 mit 37 Jahren an der Schwindsucht“ gestorben sei.[4] Paul Raabe hatte 1990 Texte zu Klabund und Davos zusammengestellt. Raabe ordnet Klabund nicht zuletzt wegen seiner Veröffentlichungen im „expressionistischen Verlag von Erich Reiss“ (in Berlin), in dem auch Moreau und Pjotr erschienen sind, dem Expressionismus zu, um auf dessen „Außenseiterposition (…), die durch seine Krankheit erklärt werden kann“, hinzuweisen.[5]
Um 1889 führte der Arzt Karl Turban, der selbst unter der Tuberkulose litt, einen „strengen Kurbetrieb“ mit Liegekuren ein.[6] Die „patentierten Liegestühle()“ werden von Klabund als Schicksal der Schwindsüchtige(n) formuliert: „Sie müssen ruh’n und ruh’n und wieder ruh’n“.[7] Die „langen Liegekuren“ vor allem am Nachmittag führen nicht nur zur „Muße“[8], wie es Raabe nennt, vielmehr wird der regelmäßige Zwang zum Nichtstun Denkprozesse freigesetzt haben, die ihrerseits die literarische Produktion beeinflussten. Eine Art Delirium in der Zeitform des Präsenz, wie es so markant im Pjotr gebraucht wird.
„Die Diener bekreuzen sich.
Sie wispern:
Ein Wolfskind ist geboren, ein Wolfssohn.
Die Brüder eilen, ihn zu begrüßen.
Eine alte Wölfin gelangt bis in den Hof und
jault hungrig nach dem Fenster des ersten
Stockes hinauf. Natalia Naryschkina, die
Zarenmutter, erwacht davon aus dem Schlaf.
Sie hält den Atem an und lauscht.“[9]
Im Sanatorium findet das Leben als Ausnahmezustand statt. Erstens werden Tuberkulosekranke abgesondert wegen der Ansteckungsgefahr. Zweitens fliehen sie ins Sanatorium, um nicht sterben zu müssen. – „Ich möchte doch noch leben, eine Weile wenigstens noch.“ (Alfred Henschke, 31. Juli 1913)[10] – Und drittens dreht Klabund die isolierende Praxis im nicht ganz so strengen Sanatorium Haus Stolzenfels einfach um. Das soziale Manko, das die Tuberkulose mit sich bringt, sowie die Angst vor Ansteckung und Tod – „Die Haselmäuse pfeifen vor Angst.“ – werden von Alfred Henschke als Klabund in der internationalen Welt von Davos zu Fasching am 1. März 1916 trotzig berlinernd mit einem „Nu jrade!“ umgedreht:
„Es wird dringend ersucht, bereits zum Abendessen im Kostüm zu erscheinen. Nur Damen und Herren, bei denen Tuberkeln nachgewiesen sind, haben Zutritt. Der Infektion sind keine Schranken gesetzt. Schlittelverbot! Es herrscht ein rauher, aber herzlicher Ton. Nu jrade!
I. A. Klabuntata Klabore.“[11]
Auf ebenso spaßhafte wie todernste Weise wird das medizinische Wissen der Tuberkulose von Klabund im „Programm“ vom „Bazillenwalzer“ bis zur „Temperaturpolka“ literarisch transformiert.[12] Das volkstümliche Berlinern mit seinen reichen Verschleifungen und Auslassungen der Konsonanten – „Nu jrade!“ – verwendet Klabund auch, um das angstmachende Wissen zu unterlaufen. Man könnte das Humor oder eine humoristische Kombinatorik von paradoxen Begriffen nennen. Die Diagnose als Verfahren der Benennung einer Krankheit und ihrer Symptome wird durch die Kombinatorik ins Komische bzw. Lächerliche gekehrt. Klabunds frühes „Programm“ zum Fasching in der Welt der Tuberkulose gibt einen Wink auf seine literarischen Verfahren. Sie werden nicht nur gegen die Schrecken der Krankheit verwendet, vielmehr werden damit Wissensformationen angegriffen.
„Allgemeiner Rippenresektionsgesang (Chor.)
Auftreten des Prestidigitateurs »Henri bleu« sowie
der verschiedensten Rasselgeräusche.
(Liege) Sackhüpfen. (I. Preis: ein Thermometer)
Elegabal Nachtschweiss, der Künstler am Trapez
Das Tangofieber im Fiebertango“[13]
Das Berlinern wird von Alfred Henschke alias Klabund nicht zuletzt mit dem Gedicht Ich baumle mit de Beene in Harfenjule 1927 zur Sozialkritik eingesetzt. Gabriele Streichhahn singt Ick baumle mit de Beene nach der Komposition von Friedrich Hollaender mit dem Ton und der Gestik mädchenhafter Unschuld. Was zunächst als volkstümliches Kinderlied daherkommt, erweist sich als eine Art Autobiographie der Prostitution und sexuellen Abweichung. Prostitution als soziale Frage ist um 1920 insbesondere in den deutschen Großstädten und beispielsweise bei Magnus Hirschfeld im Institut für Sexualwissenschaften im Tiergarten ein umkämpftes Thema. 1919 hatte Hirschfeld Richard Oswald für den Film Das gelbe Haus/Die Prostitution/Im Sumpf der Großstadt (§ 184 StGB etc.) beraten.[14]
Klabund nutzt das Berlinern, um mit mit dem Jargon das Moralwissen der gebildeten Schichten und staatlichen, sittenpolizeilichen Macht zu konterkarieren. Während insbesondere die Katholische Kirche gegen die Prostitution mit ihrem Moralcodex argumentiert und eine erste Abtreibungsdebatte abschmettert, wird von Klabund in Ich baumle mit de Beene das Thema als Problem von ungewünschten Geburten, Bildung, Arbeitslosigkeit und Homosexualität formuliert:
„…
Neulich kommt ein Herr gegangen
Mit ’nem violetten Shawl,
und er hat sich eingehangen,
und es ging nach Jeschkenthal!
Sonntag war’s. Er grinste: „Kleene,
wa, dein Port’menée is leer?“
und ich baumle mit de Beene,
mit de Beene vor mich her.
Vater sitzt zum ’zigsten Male,
wegen „Hm“ in Plötzensee,
und sein Schatz, der schimpft sich Male,
und der Mutter tut’s so weh!
Ja so gut wie der hat’s Keener,
Fressen kriegt er, und noch mehr,
und er baumelt mit de Beene,
mit de Beene vor sich her.
Manchmal in den Vollmondnächten
is mir gar so wunderlich:
ob sie meinen Emil brächten,
weil er auf dem Striche strich!
Früh um dreie krähten Hähne,
und ein Galgen ragt, und er …,
und er baumelt mit de Beene,
mit de Beene vor sich her.“
Klabunds Gedichte und Texte müssen genau gelesen und gehört werden. Grammatische Volten im Genus zwischen Feminum und Maskulinum lassen ganz andere als Kinderlieder entstehen. Der Vater muss offenbar in der in Berlin allseits bekannten Justizvollzugsanstalt „Plötzensee“ eine Strafe verbüßen, weil „sein Schatz, der schimpft sich Male“, also männlichen Geschlechts ist, während weiterhin der § 175 Strafgesetzbuch zur mannmännlichen Sexualpraxis gilt. Magnus Hirschfeld hatte mit Richard Oswalds Anders als die Andern 1919 in Berliner Kinos die Folgen des § 175 zwischen Erpressung und Selbstmord thematisiert. Erst 1929 deutete sich eine Gesetzesänderung im Reichstag an. Und auch „mein Emil“ streicht oder treibt sich nicht als Freier, sondern als „Stricher“ auf dem Strich herum. Gabriele Streichhahn präsentiert das Lied mit der intendierten Unschuld auf der Bühne des Theaters im Palais, obwohl das feminine Ich sich ebenso wie die Männer prostituiert. Klabunds Stärke liegt, wie er seinen Namen ab 1916 umschreibt, in der „Wandlung“. Nicht nur der Vagabund und der Klabautermann schwingen in Klabund mit, vielmehr wird die Ruhelosigkeit des Vagabunden für den früh an Tuberkulose Erkrankten auch eine Lebenspraxis im Wechsel der Sanatorien. Er wird ein umherirrender infektiöser Schreckensmann, der sich durch das Schreiben wandelt.
Die Mehrdeutigkeit wird zur Signatur der Klabundschen Texte. Gern werden Angst und Schrecken in einer witzigen Wendung überhört oder überlesen. Ein derart lächerlicher Todernst wurde seit je in der deutschen Literatur – und schon bei Goethe im „Nachdenkliche(n) Leichtsinn“ – überlesen. So wird denn auch der Klabund-Abend im TiP vielschichtig und vieldeutig. Ein Augenzwinkern hier, ein Schmunzeln da, weist auf die Vieldeutigkeit des Gelesenen hin. In den 70er Jahren gab es durch die 68er ein kurzes Revival für Klabund. Aber die Klabund-Forschung bleibt dünn, wird durch das Volkstümliche wohl gar ausgebremst. Christian von Zimmermann kommentiert in der Klabund-Ausgabe 1999 Pjotr als „amoralischen Menschentypus, den der Autor ohne eigene moralisierende Parteinahme“ schildere.[15] 2023 liegen die Texte, die u.a. in Sanatorien artistisch schnell geschrieben wurden, weit zurück. Doch gerade die unscheinbaren Kurztexte greifen Themen der Moderne auf. Denn Klabund reagiert beispielsweise mit dem „Gedicht“ Leuchtet Ihre Uhr des Nachts? auf die moderne Reklame für mit Radium versehene Uhren. Die Reklamefrage, „ein gelbes Plakat mit blutroten Buchstaben (springt) in die Augen“, stürzte den Leser wie in E.T.A. Hoffmanns Sandmann die ganze Wahrnehmung ins Chaos.
Die Reklamefrage wird von einem in der Münchner Kaufingerstraße flanierenden Ich plötzlich persönlich genommen. Denn sie soll persönlich genommen werden. Die Folgen der Reklamefrage – gleich Millionen Reklamefragen im Internet – stürzen den Leser in eine Krise, bis er eine neue Uhr mit „Radium“ kauft. – „Ich sitze im Keller und sehe des Nachts meine Uhr leuchten. / Manchmal ziehe ich sie auf, damit mein Herz nicht stehen bleibt.“ – En passant werden zugleich nationalistische Identitätssymbole wie das „Eiserne Kreuz“ sowie Kriegssouvenirs und -parolen entwertet.
„Was nützt es, daß ich mich mit Hindenburgseife wasche? Daß ich auf der Matratze „Immer feste druff“ schlafe? Daß ich ein Portemonnaie besitze mit dem Eisernen Kreuz ins Leder gepreßt? Daß auf meinem Taschentuche die Schlacht zwischen Metz und den Vogesen abgebildet ist? Daß ich eine Armbinde trage mit der Inschrift. „Gott strafe England?“ Daß mein Tintenfaß einen 42 cm-Brummer darstellt? Daß der Federhalter, mit dem ich schreibe, aus Patronenhülsen besteht? Daß ich mich jeden Tag mit dem nach einmaligem Gebrauch unfehlbar wirkenden Entlausungsmittel „Mackensen“ entlause?
Was besagt das alles, wenn ich keine Uhr besitze, die des Nachts leuchtet?
Weinend wachte ich den Morgen heran.“[16]
Mit seinen sogenannten Gedichten entwickelt Klabund korrespondierend mit dem Roman Pjotr eine neuartige Form aus Erzählung und Sprachautomatik. Eine sozusagen wörtlich genommene Frage kann eine kaskadenförmige Sinnkrise auslösen. Sie funktioniert wie mit dem Reim im „Gedicht“ Ich baumle mit de Beene, in dem „schimpft sich Male“ auf „zum ´zigsten Male“ oder „dem Striche strich“ auf „so wunderlich“ reimt. Die Sprachautomatik des Reimens setzt für den jung verstorbenen, durchaus unbequemen, deutschen Dichter nicht zuletzt eine erstaunliche Produktivität frei. Unbequem war Klabund wegen der nicht nur bakteriellen, sondern der sprachlichen Infektion, die bereits einem zeitgenössischen Kritiker in der Basler Nationalzeitung aufgefallen war. Die kurzen, verdichtenden Sätze mit den widersinnigen Reimen werden als „glühende Raserei“ aufgefasst.
„Ein Mensch tobt in einer glühenden Raserei durch die Welt, stößt sich an ihr von Morgen bis Abend, sprudelt fortwährend besessene Worte, kämpft und ringt mit ihr ohne Unterlaß, lacht doch über sie, kann nicht aufhören sie zu lieben. Das ist Klabund.“[17]
Mit dem Berliner Geschichten hat das Theater im Palais gleich neben dem Gorki Theater ein Theaterformat entwickelt, das u.a. Walter Benjamin, Gerhart Hauptmann, Ringelnatz und Alfred Henschke auf ebenso unterhaltende wie kluge Weise ins Interesse rückt. Lockt der Alfred Henschke-Abend mit dem Jargon – Ick baumle mit de Beene –, so stellt sich mit Klabund heraus, das im Berlinern einige Sprengkraft sitzt. Ute Falkenau als musikalische Leiterin erweitert die Lesungen und Lieder mit musikalischen Entdeckungen. Berliner Geschichten können also auch ganz anders funktionieren und z.B. zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Dichter Klabund führen. – Zum Jahresbeginn 2023 erinnert Klabund an die abklingende Covid-18-Pandemie und einen russischen Zaren, vor dem alle Angst haben sollen. Die Funktion der Sprache und der Geschichtserzählungen ist mit dem russischen Angriff auf die Ukraine nur allzu deutlich geworden. Klabund zeigt, wie man folgenreich Geschichten anders erzählt.
Torsten Flüh
Theater im Palais
Am Festungsgraben 1
10117 Berlin
Berliner Geschichten
Alfred Henschke genannt Klabund. Ick baumle mit de Beene.
nächste Vorstellung am 22. Februar 2023 19:30 Uhr
[1] Klabund: Pjotr. Roman eines Zaren. Berlin: Erich Reiß, 1923. (Digitalisat)
[2] Zitiert nach: Wikipedia: Klabund. (Das Zitat und die Bekanntschaft mit dem ebenfalls tuberkulösen, jungen Dramatiker Hans Kaltneker in Davos werden nicht von Erich Raabe in „Klabund in Davos“ erwähnt. Es handelt sich hier offenbar um ein Zitat aus der Kaltneker-Forschung jüngerer Zeit.)
[3] Zur Tuberkulose-Epidemie und Roman siehe auch: Torsten Flüh: Davoser Sonnenumläufe – Eine Revue 2020. Wie die Kombucha-Brauerei Bouche in den Georg-Knorr-Gewerbepark kam und was das mit Thomas Manns Roman Der Zauberberg zu tun hat. In: NIGHT OUT @ BERLIN 23.Dezember 2020.
Und: ders.: Das Gespenst der Epidemie. Zur Abwesenheit der Epidemie im Roman Der Zauberberg von Thomas Mann. In: NIGHT OUT @ BERLIN 22. Januar 2021.
[4] Ulrike Moser: Schwindsucht. Eine andere deutsche Gesellschaftsgeschichte. Berlin: Matthes & Seitz, 2018, S.89.
[5] Erich Raabe: Klabund in Davos. Texte Bilder Dokumente. Zürich: Arche Verlag, 1990, S. 7.
[6] Ulrike Moser: Schwindsucht [wie Anm. 4] S. 84.
[7] Erich Raabe: Klabund … [wie Anm. 5] S, 124.
[8] Ebenda S. 16.
[9] Klabund: Pjotr. [wie Anm. 1] S. 5-6.
[10] Zitiert nach Erich Raabe: Klabund … [wie Anm. 5] S. 15.
[11] Ebenda S. 20.
[12] Ebenda S. 23.
[13] Ebenda.
[14] Siehe: Torsten Flüh: Ehre und Erotik verdinglicht. Zur Sonderbriefmarke 150. Geburtstag Magnus Hirschfeld und der Ausstellung Erotik der Dinge. In: NIGHT OUT @ BERLIN Juli 22, 2018 17:41.
[15] Christian von Zimmermann: Kommentar. In: Christian von Zimmermann (Hg.): Klabund. Werke in acht Bänden. Band 3. Heidelberg: Elfenbein Verlag, 1999, S. 312.
[16] Zitiert nach: Leselaube: Texte, Gedichte, Märchen, Zitate, Redensarten, Lieder. Klabund (eigtl. Alfred Henschke, 1890-1928) Leuchtet Ihre Uhr des Nachts?
[17] Basler Nationalzeitung zitiert nach Reklame in Klabund: Pjotr … [wie Anm. 1] S. ohne Zahl (168).
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