Hass – Kolonialismus – Barock
Händels gefeierte Hass-Kantate
Zum Problem der Kantate Dixit Dominus von Georg Friedrich Händel, Sir John Eliot Gardiner und Sir George Benjamin beim Musikfest Berlin 2021
Die finale Aufführung der Kantate Dixit Dominus von Georg Friedrich Händel durch die English Baroque Soloists und den Monteverdi Choir unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner reißt das Publikum von den Sitzen, Bravorufe und Standing Ovations. Entsetzt blieb der Berichterstatter sitzen. Nach der Kantate Donna, che in ciel di tanta luce splendi von Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bachs Christ lag in Todes Banden hatte Gardiner die am 16. Juli 1707 in Rom uraufgeführte Kantate Dixit Dominus nach Psalm 110 als Abschluss der drei Barockkantaten gewählt und kraftvoll aufgeführt. „Setze dich zu Meiner Rechten, bis Ich dir/deine Feinde als Schemel unter deine Füße lege“, beginnt die Kantate, die sich bis in den „zerschmettern(den)“ Hass als Zorn Gottes steigern wird. – Ist die Aufführung einer derartig sanktionierten Hass-Kantate kommentarlos noch zeitgemäß? Oder war das ein Skandal?
Doch ich möchte, sozusagen, von vorn beginnen, nämlich mit der Rückkehr zum klassischen Konzertformat nach dem Eröffnungskonzert mit A House of Call von Heiner Goebbels. Nachdem sich der Berichterstatter seit Montagabend intensiv mit der Uraufführung beschäftigt hatte, befremdete ihn am Donnerstag beim Konzert des Mahler Chamber Orchestra unter der Leitung von Sir George Benjamin die ganze Praxis. Es war als sei nichts geschehen. Die Türen zum Podium sprangen auf, damit das Orchester seine Plätze einnehmen konnte. Begrüßungsapplaus wurde freundlich gespendet. Beim Auftritt des Dirigenten ebenso. Eine Sondereinlage wegen der aus Covid-19-Schutzgründen ausfallenden Pause bot der hydraulische Auftritt aus dem Raum unter dem Podium des Konzertflügels für die Pianistin Tamara Stefanovich, die mit dem Orchester Igor Strawinskys späte Komposition Movements von 1958/1957 spielte. – Aber nach dem Freitagabend und der Kantate Dixit Dominus steht für mich das Konzertformat und seine Aufführungspraxis erneut und verschärft in Frage.
Die beiden Programme lassen sich vergleichen und überdenken. In der Abfolge der Musikstücke, die in einem Konzert gespielt werden, steckt eine mehr oder weniger deutliche Dramaturgie. Der Dirigent kombiniert i.d.R. mehrere Stücke, die miteinander in Verbindung gebracht werden, was meistens ein Musikwissenschaftler oder Musikjournalist ausführlicher im Programmheft erklärt. Im Konzert mit George Benjamin ging es, wie Paul Griffith erläutert, um Vorbilder und Freundschaften.[1] Der Komponist und Dirigent George Benjamin möchte uns einerseits auf die Musik seines 2018 früh verstorbenen Freundes Oliver Knussen mit The Way to Castle Yonder aufmerksam machen. Andererseits bietet er mit Kompositionen von Henry Purcell und dem späten Strawinsky einen Einblick in sein, sagen wir, musikalisches Material, mit dem er arbeitet. So hat George Benjamin Three Consorts von Henry Purcell für Kammerorchester 2021 transkribiert. Als Deutsche Erstaufführung wurden diese Transkription und sein Concerto for Orchestra gespielt, das am 30. August 2021 bei den BBC Proms in der Royal Albert Hall in London mit dem Mahler Chamber Orchestra seine Uraufführung erlebte.
George Benjamin ist kein Unbekannter beim Musikfest Berlin, seitdem er 2018/2019 Composer in Residence bei den Berliner Philharmonikern war. 2018 dirigierte George Benjamin die Uraufführung seines „lyrische(n) Theater(s)“ Into the Little Hill mit dem Mahler Chamber Orchestra.[2] Komponist*innen arbeiten meistens mit einem vertrauten Orchester zusammen. So ist denn auch eine enge Beziehung zwischen George Benjamin und dem Mahler Chamber Orchestra entstanden. Dass die Transkription der Three Consorts keine historische Aufführungspraxis des englischen Barock-Komponisten Purcell verfolgt, sondern durchaus mit Benjaminschen Klangfarben versehen ist, zeigt der Einsatz Koreanischer Tempelglocken. Benjamin versteht sich als Bewunderer wie als Forscher der Kompositionen und der „komplexen Polyphonie“ von Henry Purcell.[3] Denn Purcells Gamben-Consorts haben nicht zuletzt eine Sonderstellung in der englischen Musikgeschichte und Benjamin ist als Henry Purcell Professor of Composition seit 2001 am King’s College London gewissermaßen der akademische Experte für Purcell.
Benjamins Programm bot insofern einen Einblick in sein eigenes Komponieren. Mit Knussen hatte er 1995 zusammen die Fantasias von Henry Purcell bearbeitet. Und das Concerto for Orchestra ist Oliver Knussen postum gewidmet, worauf Benjamin großen Wert legt.[4] Im Konzert lassen sich denn auch Hinweise auf das die Transkription hören. So ist es denn wohl nicht zuletzt so, dass Igor Strawinskys spätes Kompositionsverfahren einen Wink gibt. Strawinskys Hinwendung zu neuesten Kompositionsverfahren in den Movements korrespondiert mit der Verknüpfung von Barock und Moderne bei Benjamin. Aufgeführt wurden die Stücke mit einer intimen Kenntnis der Werke, die Benjamin mit dem exzellenten Mahler Chamber Orchestra und Tamara Stefanovich erarbeitet hatte. Der Barock Henry Purcells und seine Polyphonie wirkt im Concerto for Orchestra fort und hört sich dennoch anders an.
John Eliot Gardiner hat mit seinen Barock-Programmen das Musikfest Berlin in den vergangenen Jahren wiederholt mit unvergesslichen Aufführungen auf historischen Instrumenten bereichert. Die Produktionen Gardiners haben Weltniveau und werden zu Referenzaufnahmen wie 2017 mit Il ritorno d’Ulisse in patria und L’incoronazione di Poppea von Claudio Monteverdi[5] oder 2019 mit Benvenuto Cellini von Hector Berlioz[6] – weitere ließen sich ergänzen. Wenn sich Gardiner einem Komponisten zum Jubiläumsjahr widmet, dann werden die historischen Aufführungspraktiken akribisch rekonstruiert und die Produktionen z.B. zum Monteverdi Jubiläumsjahr nach Venedig, London und New York übernommen. John Eliot Gardiner ist zu einer Marke und einer Erfolgsmaschine geworden. Die untrügliche Qualität und der kluge Humor seiner Einstudierungen genießen weltweites Ansehen, was sich nicht zuletzt in dem internationalen Publikum seines Kantaten-Konzerts am Freitagabend bestätigte. Denn die liturgische Form der Kantate lockte ganz bestimmt nicht das Publikum in die Philharmonie.
Gardiner will uns mit seinem Programm etwas über die Zeitgenossenschaft von Bach und Händel als Kantatenkomponisten vermitteln.[7] Denn beide sind 1685 geboren und werden die Musik des Barock bis in die 50er Jahre des 18. Jahrhunderts prägen. Gardiner gilt als Bach-Experte und stellt diesem nun Händel gegenüber. Händel hatte als Musiker und Komponist bereits Erfahrungen an der Oper in Hamburg gesammelt, als er 1706 nach Italien, nach Rom aufbricht, wo die beiden aufgeführten Kantaten für die katholische Liturgie entstehen, d.h. sie wurden im Rahmen eines Gottesdienstes aufgeführt. Händel wird 1727 gar englischer Staatsbürger und prägt die bürgerliche Barockoper in London, wo sich das Empire durch Kolonialismus, Sklavenhandel, Rassismus und christlichen Glauben zur vorherrschenden Weltmacht aufschwingt. In seinen Kompositionen wird Händel ausgesprochen innovativ, so dass er an einem neuartigen bürgerlichen Gefühlshaushalt mitarbeitet. Beispielsweise wird in der Opera seria Orlando 1733 in London erstmals der Wahnsinn als Arie vorgeführt.[8]
Während Johann Sebastian Bach 1707/1708 mit Christ lag in Todes Banden ein traditionelles Osterlied volkstümlichen Ursprungs von Martin Luther zur Kantate ausarbeitet, komponiert Georg Friedrich Händel insbesondere mit dem Psalm 110 als Dixit Dominus eine für liturgische Zwecke neuartige Gefühlsdramatik, die es mit dem Text des Psalms zu bedenken gilt. Demgegenüber hält sich die narrative Kantate Donna, che in ciel di tanta luce splendi für Sopran, Ann Hallenberg, und Chor zur „Dankliturgie“ für den 2. Februar im Rahmen vergleichbarer Kirchenmusiken.[9] Die Kantatenkompositionen werden heutzutage kaum noch aufgeführt, geschweige denn in einem Gottesdienst verwendet. Insofern leistet John Eliot Gardiner hier einen wichtigen Beitrag zur Kantatenforschung. Wenn in Deutschland zu Ostern Bach aufgeführt wird, dann werden die Johannes-Passion[10] oder das Osteroratorium gespielt. Mit Christ lag in Todes Banden stellt uns Gardiner nun allerdings einen äußerst fröhlichen, fast volkstümlichen Bach vor, der schon wegen dem beschwingten Lutherversdeutsch – „Christus“ als „Kruste“ – zum Schmunzeln anregt.
„Christus will die Kruste sein
und speisen die Seel‘ allein,
der Glaub‘ will keins andern leben.
Halleluja!“
Theologisch wird der Psalm 110 auf verschiedene Weise ausgelegt. Strittig ist, wer spricht. Ist es Gott? König David? Oder ein beliebiger Herrscher, der zu wem spricht? Spricht er zu mir als Hörer, zur Gemeinde? – „Dixit Domino Dominus meo“ – Obwohl ich nicht ganz kirchenfern bin, ist mir Psalm 110 bislang nicht begegnet. Die Psalmen werden heute noch in einem zwischen Kantor und Gemeinde wechselndem Sprechgesang gebraucht. Sie sind Bestandteil der Gesangbücher der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es entsteht oft eine Dramaturgie von Frage, Antwort und Wiederholung, die stark normiert ist. Psalm 110 wird im Alten Testament dem König David zugeschrieben. Im Neuen Testament wird er häufig als prophetischer Text zitiert. Insofern formuliert er ein Vorwissen über Jesus Christus, der als Herrscher der Welt angekündigt wird. Mit anderen Worten: Psalm 110 formuliert ein christologisches Herrschaftswissen über die Welt. Durch die liturgische Praxis des wechselseitigen und gemeinsamen Sprechens wird einerseits eine Art Gemeinsamkeit und Teilhabe am Gottesdienst hergestellt. Andererseits wird durch die gemeinsamen Wiederholungen ein Wissen eingeübt, erinnert und bestätigt. In den Reformierten Kirchengemeinden wurden außer Psalmen keine Lieder gesungen. Das Wissen der Psalmen ist heutzutage weitgehend erodiert.
Weiterhin möchte ich für die Analyse von Dixit Dominus vorausschicken, dass im Barock die Artikulation von Psalmen und das Wissen von ihnen, ein Psalmenwissen, die Konfessionen spaltet. Für die unterschiedlichen Liturgien in reformierter, evangelischer, anglikanischer und katholischer Kirche spielen die Psalmen eine prominente Rolle. Die Blüte der Kantatenkompositionen im 18. Jahrhundert verweist nicht zuletzt auf einen Bedarf an neuen musikalischen Gestaltungsformen, weil sich die Konfessionen und Kirchen gegeneinander abgrenzen wollen. Schon im 17. Jahrhundert wird Paul Gerhardt zum prägenden Dichter von Kirchenliedern, der nicht zuletzt in Berlin ein erstes evangelischen Gesangbuch zusammenstellt. Georg Friedrich Händel wird in Hamburg ebenfalls Kantaten gehört haben. Doch Händels Reise nach Italien um 1700 entspricht gerade keinem Urlaubsversprechen, wie Schrammek in seinem Essay nahelegt, sondern dem Bildungsprogramm der Grand Tour, die John Brewer für das 18. Jahrhundert einmal als einen Wechsel von „aristocratic erudition to bourgeois sentiment“, von aristokratischer Gelehrsamkeit zum bürgerlichen Gefühl beschrieben hat.[11] Georg Friedrich Händel komponiert nun vermutlich in Venedig eine neue Musik und Artikulationsweise für die lateinische/katholische Fassung des Psalm 110.
Wie kann die Aufgabe der Komposition eines Psalms gedacht werden? Psalm 110 ist verschiedentlich komponiert worden. Als Kantate wird der Psalm allerdings nicht mehr von oder mit der Gemeinde gesungen, vielmehr kommt ihm nun eine neue Funktion zu. Er wird für die Liturgie aufgewertet durch eine intensive Aufführung. Georg Friedrich Händel macht aus dem Psalmentext ein musikalisches Drama, das machtvoll beeindrucken soll. Die Komposition besteht darin, dass der Text rhythmisiert, intoniert, auf mehrere Stimmen verteilt, wiederholt und variiert wird. Das Ausgangsmaterial der Kantate ist insofern ein kanonischer Text der Liturgie in der evangelischen wie katholischen Kirche. Georg Friedrich Händel wird der Text mehr oder weniger vertraut gewesen sein, vermutlich hat er seine Verwendung während seiner Reise im Gottesdienst gar in einer Kirche in Italien gehört.
„Dixit Dominus Domino meo: sede a dextris meis,
donec ponam imimicos tuos
scabellum pedum tuorum.”
Es ist nicht so, dass der Berichterstatter von vornherein gewusst hätte, was ihn mit Händels Dixit Dominus erwarte, vielmehr hörte und las er sich mit Hilfe der Textanzeige über dem Podium, an den Seiten und Rückwänden in der Philharmonie ein. Es gibt erste Höreindrücke, die im Programmheft notiert werden: „militaristisch, überheblich“ – „… bis Ich dir deine Feinde als Schemel unter deine Füße lege“, ließ ihn schon aufmerken. Starker Stoff. Wer soll hier unterworfen werden? Und wie hörten es die Menschen zu Beginn des 18. Jahrhundert? Der Psalm 110 entfaltet eine Rhetorik der Feindschaft und Herrschaft bzw. Dominanz: „… dominare in medio/inimicorum tuorum“, was von einer Altstimme arios gesungen wird. Es hört sich im Text wie in der Musik nach einer emotionalen Steigerung an, die im göttlichen Zorn, lateinisch „irae“, ausbricht: „Dominus a dextris tuis/confregit in die irae sua reges.“ Die feindlichen Könige werden am Tag seines Zorns „zerschmettert“ werden. Psalm 110 benutzt nicht nur eine Drohungs- und Kriegsrhetorik, er sanktioniert diese zugleich durch den „Herren“. Händel komponiert diese Rhetorik zur mitreißenden, persönlichen und von höchster Stelle gerechtfertigten Gefühlsaufwallung.
„Judicabit in nationibus, implebit ruinas:
Conquassabit capita in terra multorum./
Er wird richten unter den Heiden. Er wird häufen die Toten.
Er wird zerschmettern das Haupt über große Lande.“
Händels Dixit Dominus lässt sich als ein wichtiges Scharnier in der Gefühlsgeschichte des Zorns auffassen. Da der Berichterstatter erst im Dezember über die Reihe Zorn – Geschichte eines politischen Affekts der Mosse-Lectures berichtet hatte, wurde er sogleich an Ute Freverts Mosse-Lecture zum Zorn und Hass erinnert, in dem auch auf den lateinischen Begriff „ira“ eingegangen worden war. Zorn, Wut und Hass liegen nah beieinander.[12] Johannes F. Lehmann setzt den Wechsel vom Zorn zum Hass um 1800 an. Der biblische Zorn Gottes wird im Psalm 110 als Bestrafung eines Fehlverhaltens sanktioniert. Doch Händel nimmt mit seiner Komposition und den intensiven Koloraturen auf „irae“ im Chor eine gefühlsgeschichtliche Verschiebung vor. Der Zorn findet nicht mehr als eine äußere Angelegenheit Gottes statt, vielmehr werden Zuhörer*innen vom Zorn in der Musik mitgerissen. Sie werden enthusiasmiert und angestachelt. Statt eines Sprechgesangs in der Liturgie wird Dixit Dominus zu einem dramatischen Gefühlsereignis, dem sich die Zuhörer*innen nur schwer entziehen können.
Der Zorn Gottes oder des Herrn entspringt in der gleichwohl poetischen Erzählung des Psalm 110 einer Suprematie, die bereits im 17. Jahrhundert den europäischen Kolonialismus sanktioniert. Die Überleitung allerdings in einen Gefühlshaushalt nicht nur des spanischen Adels, vielmehr noch des niederländischen und englischen Bürgertums geschieht in einer neuartigen Interpretation des Psalm 110. Nun wird Georg Friedrich Händels Dixit Dominus wahrscheinlich nicht ständig aufgeführt worden sein, so dass er eine große Wirkmächtigkeit entfalten konnte, vielmehr könnte er als ein Symptom für die Veränderung der politischen Gefühle wie Zorn des 17. und 18. Jahrhundert gelesen werden. Nicht zuletzt hat sich die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in Vorbereitung des Kant-Jahres zum 300. Geburtstag um die Jahreswende 2020/2021 intensiv mit der Frage befassen müssen, ob Immanuel Kant ein Rassist war: „Kant – Ein Rassist?“, worüber berichtet wurde.[13] Unter Philosophen und Wissenschaftshistorikern konnte die Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Als, sagen wir, Kind des 18. Jahrhunderts war Kant eher ein Rassist, der beispielsweise das frühe „Barbados-Prinzip“ inklusive Sklavenhandel und Ausbeutung von Sklaven bis in den Tod, das Sven Beckert beschrieben hat, ignoriert hat.[14] Kant ringt in seiner frühen Schrift von 1775 um einen Begriff der Rasse.
Dass die heftigen Gefühle des Dixit Dominus in der Musik diese im Publikum zu wecken vermögen, wurde mit den sofortigen Bravos und Standing Ovations mehr als bestätigt. Was war gehört worden? Lässt sich die Musik ganz vom Text lösen? Gefühle verfangen schnell und sind politisch. Dem Hass verdankt sich eine ganze politische Bewegung, die sich insbesondere die Rückeroberung bzw. Installation einer autoritären Kultur auf die Fahnen geschrieben hat. Georg Friedrich Händels Dixit Dominus inszeniert einen maximalen Hassausbruch aus einem geschlechtlich männlichen Überlegenheitsdenken, der mit der Musik für den achten Vers beruhigt und als berechtigt bestätigt wird. „Er wird trinken vom Bach auf dem Wege;/darum wird Er das Haupt emporheben.“ Mit dem Gloria des neunten Verses wird der heftige, selbstgerechte Gefühlsausbruch als göttliches und nunmehr menschliches, ja, genuin christliches Recht bestätigt. Ist das ein Bravo wert? Oder sollte das überdacht werden:
„Gloria Patri, et Fillio, et Spiritui Sancto:“
„wie es war im Anfang, so jetzt und alle Zeit
und in Ewigkeit. Amen.“
Torsten Flüh
PS: Im Jahr 2019 wurde das Aktionsbündnis Hass schadet der Seele begründet und ergänzt durch Liebe tut der Seele gut.
Musikfest Berlin
Mahler Chamber Orchestra
Sir George Benjamin
On Demand bis 13. September 2021, 16:00 Uhr.
English Baroque Soloists
Monteverdi Choir
John Eliot Gardiner
On Demand bis 14. September 2021, 16:00 Uhr.
[1] Paul Griffith: Von Vorbildern und Freundschaften. In: Musikfest Berlin: Mahler Chamber Orchestra – Sir George Benjamin. Berlin 02.09.2021, S.10-13.
[2] Siehe: Torsten Flüh: Aufgespürte Stimmungen. Zu Verklärte Nacht von Arnold Schönberg und Into the Little Hill von George Benjamin beim Musikfest. In: NIGHT OUT @ BERLIN September 17, 2018 16:50.
[3] Paul Griffith: Von … [wie Anm. 1] S. 11.
[4] Ebenda S. 12.
[5] Siehe: Torsten Flüh: Von der Wahrheit des Karnevals. Il ritorno d’Ulisse in patria und L’incoronazione di Poppea von Claudio Monteverdi beim Musikfest. In: NIGHT OUT @ BERLIN September 9, 2017 16:56.
[6] Siehe: Torsten Flüh: Pariser Industrialisierung glüht durch Hector Berlioz‘ Benvenuto Cellini. Sir John Eliot Gardiner beschenkt das Musikfest Berlin mit einer Ophicleide, Saxhörnern und einem Streikchor. In: NIGHT OUT @ BERLIN 5. September 2019.
[7] Vgl. Bernhard Schrammek: Zur gleichen Zeit in Rom und Mühlhausen. In: Musikfest Berlin: English Baroque Soloists, Monteverdi Choir – John Eliot Gardiner. Berlin 03.09.2021, S. 13-15.
[8] Siehe: Torsten Flüh: Furioser CAMP im Campingbus. Orlando von Georg Friedrich Händel an der Komischen Oper Berlin. In: NIGHT OUT @ BERLIN Februar 27, 2010 10:59.
[9] Bernhard Schrammek: Zur … [wie Anm. 5] S. 15.
[10] Zur Johannes-Passion siehe: Herzenssache. Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion der Berliner Philharmoniker auf DVD und Blu-Ray. In: NIGHT OUT @ BERLIN Oktober 10, 2014 20:32.
[11] Siehe Torsten Flüh: Reisen mit Wissen und Gefühl. John Brewers Vortrag The eighteenth century Grand Tour: from aristocratic erudition to bourgeois sentiment im Wissenschaftszentrum Berlin. In: NIGHT OUT @ BERLIN Juli 15, 2010 23:33.
[12] Siehe: Torsten Flüh: Zorn zwischen Gefühlsausbruch und Lebenspraxis. Zwischenlese zur digitalen Reihe der Mosse-Lectures zum Thema Zorn – Geschichte und Gegenwart eines politischen Affekts. In: NIGHT OUT @ BERLIN 9. Dezember 2020.
[13] Siehe: Torsten Flüh: Cancel Kant? – Cancel Culture und Kants Begriff der „Menschenrace“. Zu Kants bevorstehendem 300. Geburtstag und der Reihe „Kant – Ein Rassist?“ im Livestream und in der Mediathek. In: NIGHT OUT @ BERLIN 4. Februar 2021.
[14] Siehe ebenda.
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