Revolution – 1848 – Geschichte
Der europäische Bogen der Revolution
Zu Christopher Clarks brillant erzähltem Frühling der Revolution – Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt
Am 25. September 2023 stellte Christopher Clark eloquent im Gespräch mit Jenny Friedrich-Freska im Humboldt Forum sein neues, bereits auf Platz 9 der Spiegel Bestseller gelistetes Buch Frühling der Revolution als eine nichtlineare Erzählung von den Revolutionen in Europa der Jahre 1848/49 vor. Denn der Ort auf dem 52.517883 Breiten- und 13.393655 Längengrad war mit dem Berliner Schloss, das mit der Fassade des Humboldt Forum bis auf die Große Kartusche als spät hinzugefügten Detail sowie der zwischen 1845 und 1853 aufgesetzten neobarocken Kuppel, ebenfalls am 18. März 1848 ein umkämpfter Schauplatz der Revolution. „Schließlich trat der Monarch (Friedrich Wilhelm IV.) auf einen Balkon über dem Platz, wo er mit frenetischem Jubel empfangen wurde.“[1]
Im Saal 1 des Humboldt Forums erzählte Christopher Clark ebenso launig wie überrascht vom weiteren Verlauf der Revolution unter dem Schloss-Balkon, die durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ein blutiges Ende nahm. „Der recht skurrile Versuch des Palasts, diese Falschinformation mithilfe zweier Zivilisten zu korrigieren, die ein breites Leintuch mit der Aufschrift »Ein Missverständnis! Der König will das Beste!« durch die Straßen trugen, hatte, wie zu erwarten, wenig Erfolg.“[2] – Wir wissen nicht, ob es sich bei dem Balkon um eben jenen von Portal IV handelte, der von Roland Korn und Hans Erich Bogatzky als Portal für das Staatsratsgebäude der DDR am Schloßplatz verbaut wurde. Auf jenem Balkon soll Karl Liebknecht am 9. November 1918 die „sozialistische Republik“ ausgerufen haben.
Die Nichtlinearität der Geschichte gehört zu Christopher Clarks neuartigen Ansatz seiner materialreichen, über tausend Seiten umfassenden Erzählung von der 1848er Revolution. Denn er wehrt sich vor allem gegen die landläufige These, „dass dem Narrativ dieser Aufstände ein erlösender Abschluss fehlte“[3], wie er es in der Schule gehört hatte. Das Paradox des Fehlens „ein(es) erlösende(n) Abschluss(es)“ wird mit dem Balkon von Portal IV als einem vermeintlichen Abschluss der Geschichte augenfällig. Statt Sozialismus beheimatet das Gebäude nun die Privatuniversität European School of Management and Technology (ESMT) und empfiehlt sich als Eventlocation. Dazu passen dann die dem Gott des Weines, Bacchus, gleichenden Atlashermen von Balthasar Permoser, die den Balkon des 2. Stocks tragen.
Die Fassade des Humboldt Forums erinnert nicht nur an das vielfach erweiterte und umgebaute Schloss in seiner Funktion als Sitz der Herrscherfamilie und Machtzentrum, vielmehr wird in den Durchgängen ebenso an die Revolutionen von 1848, 1918/19 und die Revolution der Bürger*innen der DDR von 1989 vor dem Palast der Republik(!) erinnert, als die Demonstrierenden damit rechnen mussten, dass auf sie geschossen werden könnte. Wie entstehen Revolutionen? Wie kam es zu der europaweiten Revolution von 1848? „Das wohl auffälligste Merkmal“, schreibt Clark in seiner Einleitung, „von 1848 war ihre Gleichzeitigkeit – sie war schon den Zeitgenossen ein Rätsel, und sie ist ein solches für die Historiker geblieben.“[4] – Ob der König zur Menge vom Balkon im 1. oder 2. Stock ohne technische Hilfsmittel sprechen wollte oder sprach, wird nicht mitgeteilt. – Eine große Menge wird kein Wort vom Balkon verstanden haben.
Christopher Clark versucht das Rätsel der Revolution nicht zu lösen. Aber er bietet in 9 ausführlichen Kapiteln von den „Soziale(n) Fragen“ über „Ordnungskonzepte“, „Konfrontation“ und „Explosion“ ebenso wie „Regimewechsel“ und „Emanzipation“, „Entropie“, „Gegenrevolution“ und „Nach 1848“ eine Vielzahl von Diskussionsbeiträgen an. Die in Deutschland „Soziale Frage“[5] genannten Probleme seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wird bei Clark zu einer Vielzahl „Soziale(r) Fragen“, die auf über einhundert Seiten beschrieben werden. Denn: „Die »soziale Frage«, die Europäer Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigte, war ein ganzer Komplex realer Probleme, aber sie war zugleich auch eine Art der Wahrnehmung.“[6] Wobei es dabei vor allem um eine neuartige „Politik der Beschreibung“ bis zum Roman Les Mystères de Paris geht.[7] Beschreibungen sind nicht zuletzt ebenso relevant für die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ von 2010/11, an die Clark mit seinem Titel Frühling der Revolution anknüpft und auf deren Rätselhaftigkeit anspielt.
„Die Gleichzeitigkeit war auch einer der rätselhaftesten Momente der Ereignisse von 2010/11 in den arabischen Ländern, die tiefe lokale Wurzeln hatten, aber eindeutig auch miteinander verknüpft waren.“[8]
Der große Bogen der Beschreibungen berührt und erwähnt denn auch mehr en passant Bettina von Arnim und ihr anonym veröffentlichtes Buch[9] Dies Buch gehört dem König. von 1843.[10] Der kryptische Titel dieses Buches bedarf einer Transkription, die dahin lauten könnte, dass der König, Friedrich Wilhelm IV., verdammt noch mal dieses Buch lesen solle. Aus dieser Perspektive einer dringlich warnenden Stimme aus dem Umkreis des Berliner Hofs gerät der Auftritt des Königs auf dem Balkon 5 Jahre später in ein anderes Licht. Denn Bettina von Arnim war nicht nur über ihre Schwester Kunigunde von Savigny, geb. Brentano, durch Friedrich Karl von Savigny als Mitglied des Staatsrats über politische Entscheidungen informiert, sie veröffentlichte durch Gespräche mit Dämonen 1852 als ausdrücklichem „zweiten Band“ des „Königsbuchs“ eine Kritik der Revolution von 1848 und ihrer Ergebnisse.[11]
„Ich dachte, wäre das mein Ziel, B e s c h ü t z e r d e r U n t e r d r ü c k t e n, das wollt ich so gerne sein; — und wo ich ging und stand sann ich auf diesen Juwel ihn an der Stirne zu tragen. — Und Deine Weisheit ist das reife Blut der Traube, ich muß es trinken, es rieselt durch die Sinne und beherrscht den Geist. — — —“[12]
Bettina von Arnim veröffentlicht ihre Kritik der Revolution in einer aufwendig verschachtelten Konstruktion, die einen Wink auf das politische Klima, ja, Angst nach 1848 in Berlin gibt. Der zweite Band des „Köngisbuchs“ kommt als märchenhafter Briefroman und Lehre des Islam daher. Hatte sich die Anonymität schon beim ersten Band nicht lange wahren lassen, so wird nun die Kritik an den sozialen Verhältnissen in Berlin mit mehreren literarischen Drehungen so formuliert, dass sich eine Aussage kaum fassen lässt. Die literarischen Operationen lassen eine Kritik nur aufscheinen, wenn das unwahrscheinlich Märchenhafte und Orientalische abgestreift wird.
Mit der Geste der Aufklärung durch Verfremdung gleich den Lettre Persanes (1721) von Montesquieu schreibt Bettina von Arnim nicht vom preußischen König, sondern zugleich mit Wink auf Goethe als Widmung „Dem Geist des Islam vertreten durch den großmüthigen Abdul-Medschid-Khan Kaiser der Osmanen.“[13] Eine Kritik der Revolution lässt sich für sie nicht deutlicher artikulieren.
„Die Schriftstellerin Bettina von Arnim, die sich auch mit der sozialen Frage beschäftigte, hatte an den Ereignissen in Berlin von 1848 zwar nicht teilgenommen, aber während dieses Jahres, zum Entsetzen ihrer Verwandten, nicht nur einen sondern zwei Salons unterhalten. Den einen besuchten überwiegend konservative und liberale Oberschichtfiguren aus dem Adelsmilieu, in dem ihre Familie verkehrte. (…) Bettina von Arnims Briefe aus den Monaten des Aufruhrs offenbaren ihr unermüdliches Bemühen, zwischen den Lagern zu vermitteln.“[14]
Für Christopher Clarks Frühling der Revolution nimmt Bettina von Arnim als Berliner Autorin und Salonière gleichsam eine Scharnierfunktion ein. Der extreme politische Druck, der durch den zweiten Teil des „Königbuchs“ spürbar wird, wird von Clark zugunsten des großen Bogens kaum berücksichtigt. Die Erfahrungen eines jungen Schweizers im Vogtlande vor dem Hamburger Tor von Heinrich Grunholzer als systematische und formalisierte Beschreibung der aus Armut in die „Familienhäuser“ gezogenen Menschen, wären indessen „ohne ihre Initiative (…) nicht zustande gekommen“.[15] Dabei endet Bettina von Arnims politik-philosophischer erster Band radikal, wenn der „Kathrinenthurm“ als Symbol einer alten Macht der Kirche in Frankfurt am Main weggeschossen wird, aber Berlin gemeint ist.
Von Clark wird die Armutsbeschreibung aus dem sogenannten Vogtland vor dem Hamburger Tor als systematische Sammlung von formalisierten Erzählungen – „Als ich eintrat, nahm die Frau schnell die Erdäpfelhäute vom Tische, und eine sechszehnjährige Tochter zog sich verlegen in einen Winkel des Zimmers zurück, da mir der Vater zu erzählen anfing.“[16] – in dem zentralisierten, privaten Armenquartier außerhalb der Stadtmauer, den sogenannten „Familienhäusern“, favorisiert. „Bettina von Arnim will kein faktizitätsgetreues Bild der Wirklichkeit konstruieren, sie will offenkundig machen, dass es nottut, nach einer Realität zu suchen, die es noch nicht gibt.“[17] Doch die zunächst anonyme Verfasserin hatte vor den Erfahrungen bereits die Stadt beschießen lassen und die revolutionäre Freiheit gefeiert:
„Fr. Rath. Ach gute Stadt Frankfurt geschieht endlich wieder einmal ein klein Elementespiel in deine Mauern zu deim Sommerplaisir! — Da seh nur unserm Kathrinenthurm sein Zopf brennt! — guck nur wie er seine Stirne kraus zieht. Ja guter Kerl dein Nachtmütz brennt ab. (…) Haha! das ist ein gut Zeichen für uns die wir das Feuer der Freiheit zu conserviren uns der Unsterblichkeit geweiht haben! —“[18]
Der Frankfurter Zungenschlag klingt in der Schreibweise der Beschreibung Bettina von Arnims als gebürtiger Frankfurterin fast spaßig durch. Im Hochdeutsch des Dichtergatten, Achim von Arnim, und Dichterbruders, Clemens von Brentano, hätte sich der launige Beschuss der Stadt als Folge des „Feuer(s) der Freiheit“ kaum schreiben lassen. Die Zeitungsmitarbeiterin Bettina von Arnim beherrscht die literarische Verstellung wegen der Zensur, die schon für Zeitgenoss*innen schwer auf eine Position festzulegen war. Radikal ist die Geste allein und winkt hinüber zum Frühling von 1848. Dennoch ist es wohl nicht zuletzt ihre gesellschaftliche Position als Witwe, die lange im Hause Friedrich Schleiermachers mit ihren Kindern leben musste, bevor sie 1847 in ein gutshausähnliches Gebäude In den Zelten vor die letzte Stadtmauer zog, zwischen Bürgertum, Adel, Administration und sozialen Aktivist*innen, die sie zu einer Scharnierfigur macht.
Christopher Clarks europäische Perspektive nicht zuletzt auf Frauen als Akteurinnen und Beobachterinnen der gesellschaftlichen Umbrüche, die sich 1848 quasi entladen, wird mit der Frage nach den „Ordnungskonzepte(n)“ durch den Abschnitt „Eine Welt der Männer“[19] erhellend. Darin widmet er sich der Pariser Journalistin Claire Démar, die 1833 jene Macht in Frage stellte, die heute weithin als Patriarchat bekannt ist. Zwar hatten bereits d’Alembert und Diderot das „PATRIARCHAT“ in ihrer Encylopédie berücksichtigt, aber nur hinsichtlich seiner kirchenrechtlichen Verwendung: „PATRIARCHAT, étendue de pays soumise à la jurisdiction d’un patriarche.“[20] Also, als ein Gebiet oder Land, das der Gerichtsbarkeit eines Patriarchen unterliegt. Hinsichtlich einer Herrschaft im Verhältnis der Geschlechter beschreibt erst Claire Démar „die Macht des Vaters“ als entscheidende „Form() der Ungleichheit“ für alle anderen:
„Die Macht des Vaters sei, so Démar, ihrem Ausmaß und ihrer Tiefe einzigartig, weil sie in die Prozesse verwoben sei, durch die Menschen in der Kindheit und Jugend sozialisiert und diszipliniert werden. Es sei die Macht, durch die Väter ihre Söhne deformierten, indem sie deren »geschundene Gliedmaßen« schlügen, um sie zur Unterordnung zu zwingen.“[21]
Der Abschnitt zu den Machtverhältnissen der Geschlechter macht besonders deutlich, dass die brennenden Fragen nach Ordnungskonzepten bis auf den heutigen Tag trotz aller Revolutionen nicht einfach gelöst worden sind. Die Geschlechterfrage inklusive „der sexuellen Beziehungen“[22] wird im Vorfeld der Revolution bereits seit 1833 in Paris von der „radikale(n) Journalistin und Schneiderin Suzanne Voilquin“ und ihrer Freundin Claire Démar zur Debatte gestellt. Die neuartigen industriellen Verhältnisse wirken sich zumindest in Paris auf andere Ordnungskonzepte zwischen den Geschlechtern aus. Nicht zuletzt war dem Berichterstatter kürzlich bei Hector Berlioz‘ Les Troyens die Konzipierung der Frauenrollen aufgefallen.[23] Voilquin und Démar gehörten zu jener Stimmung, in der der Komponist seit den 1830er Jahren in Paris lebte.
„Démars Stimme war außergewöhnlich aggressiv, aber keineswegs isoliert. Ihre enge Freundin Voilquin war eine der Herausgeberinnen einer Publikation, die unter dem Namen La Femme nouvelle, L’Apostolat des femmes und La Tribune des Femmes bekannt war und in der Autorinnen, ausnahmslos Frauen und größtenteils Arbeiterinnen, lediglich mit dem Vornamen unterschrieben, um die patriarchalen Implikationen des Familiennamens zu vermeiden.“[24]
Das Geschlecht in Hinsicht auf eine Konstruktion von Rasse spielt durch die Emanzipation als Brückenwert ebenso eine Rolle bei der Forderung nach der Befreiung von Sklaven. Die Vision „einer Welt ohne Patriarchat“[25] betrifft nicht nur die Frauen, vielmehr regieren ebenso hierarchisch-patriarchale Verhältnisse in der Sklaverei. „Für Claire Démar und Flora Tristan waren Frauen die Sklavinnen der Männer. (…) Für Joseph de Maistre waren Revolutionäre keine Freiheitskämpfer, sondern Sklaven der Geschichte.“[26] Mit anderen Worten: Die Begriffe des Sklaven und der Sklaverei kursieren im Vorfeld der Revolution von 1848 relativ elastisch. Wer sich nicht emanzipiert, in der Umkehrung des Narratives, bleibt Sklave oder Sklavin ohne Entscheidungsfreiheit. Die Abschaffung der Sklaverei wird wiederholt gefordert und z.B. in England und Frankreich unterschiedlich erfolgreich umgesetzt.
„Die französische Kampagne zur Abschaffung der Sklaverei erlangte nie die gesellschaftliche Tiefe ihres britischen Pendants. (…) Es gab in Frankreich regelmäßige Versuche, größere Unterstützung für die Kampagne zur Abschaffung der Sklaverei zu gewinnen, doch die Reaktion war enttäuschend: Eine Petition in Paris und Lyon im Jahr 1844 bekam nicht einmal 9000 Unterschriften.“[27]
Christopher Clark spitzt die Widersprüche in der Revolution 1848/49 zu. Nicht jede und jeder, die von der Sklaverei schreibt und sie verurteilt, tritt engagiert genug auf, um sie abzuschaffen. Die Grenzen der Geschlechter in der dem Deutschen eigenen Mehrdeutigkeit von Herkunft, biologischem Geschlecht oder Rasse einzureißen, schafft zugleich eine Verunsicherung bei der eigenen Verortung, mit einem anderen Wort: der Identität. Trotzdem wird 1848 nicht zuletzt durch neuartige, institutionalisierte Versammlungen zu einem Scheidepunkt für die Sklaverei.
„Im Februar 1848 brachte eine Revolution die entschlossensten Fürsprecher der Abschaffung in die Nähe der Hebel politischer Macht. Die Metapher und die Sache, die Bereitschaft zu diskutieren und die Macht zu handeln wurden auf einmal vereint, und das mit weitreichenden Konsequenzen.“[28]
Während der Buchvorstellung im Saal 1 im Humboldt Forum kamen Susanne Kitschun für den Friedhof der Märzgefallenen und Hartmut Dorgerloh als Generalintendant des Humboldt Forums und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, so der offizielle Titel der Stiftung, zum Podiumsgespräch hinzu. Trotzdem spricht Dorgerloh lieber vom Humboldt Forum als einem Raum für Debatten, denn vom Schloss. Die europaweiten Revolutionen von 1848/49 gaben paradoxerweise vor allem den Nationalisierungsbewegungen einen Schub. Träume und Albträume des Vaterlands werden drumherum aktiviert und formuliert. Dorgerloh sieht indessen das Humboldt Forum nicht nur als europäischen, sondern mit dem Ethnologischen Museum als einen internationalen Debattenraum. Christopher Clarks Europa der Revolution von 1848 führt auch für Susanne Kitschun dazu, die Aufgaben des Trägervereins Paul Singer e.V. stärker in einer europäischen Perspektive zu sehen. Die Unabgeschlossenheit der Revolution und der Geschichte regt uns, nach Clark, zu einem anderen Blick auf 1848 an:
„In dem Maße, wie wir aufhören, Geschöpfe der Hochmoderne zu sein, werden neue Affinitäten möglich. Es ist daher besonders spannend, ja sogar lehrreich, über die Menschen und Situationen von 1848 nachzudenken: (…)“[29]
Christopher Clark erweist sich mit Frühling der Revolution. Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt wiederum als ein kenntnisreicher Historiker und begnadeter Erzähler. Seine Quellen wie nicht zuletzt Claire Démar tragen weiter, als es sich selbst die Autorin hätte träumen lassen. Vielleicht muss man sogar sagen, dass die radikale Kritik des Patriarchats nach einigem Tumult mittelbar in die wiederum patriarchal formulierten Nationalismen der Vaterländer bis zum Ungarn eines Victor Orbán oder Polen eines Jarosław Kaczński mündeten. Doch die Nichtlinearität der Geschichtserzählung erlaubt es Clark nicht zuletzt, nonchalant Widersprüche aufeinanderstoßen zu lassen und einen großen Bogen bisweilen zum Nachteil der Details zu beschreiben. — Als Schlussbild lässt er ein Foto von einem „Protestmarsch der Gelbwesten (Gilets jaunes) gegen die französische Regierung im Mai 2018 in Toulouse“ abdrucken.[30]
Torsten Flüh
Christopher Clark:
Frühling der Revolution.
Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt.
München: DVA, 2023.
48,00 €
Hardcover mit Schutzumschlag, 1.168 Seiten, 15,0 x 22,7 cm
mit 42 s/w-Abbildungen und 5 Karten
ISBN: 978-3-421-04829-5
[1] Christopher Clark: Frühling der Revolution. Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt. München: DVA, 2023, S. 442.
Zum Problem des Berichtens von der Revolution siehe auch: Torsten Flüh: Revolution berichten. Jörg Armbruster und Laila Soliman: Der Arabische Frühling – Wunschtraum oder Albtraum? (Mosse-Lecture) In: NIGHT OUT @ BERLIN 12. Januar 2013. (Als PDF unter Publikationen)
[2] Ebenda S. 444.
[3] Ebenda S. 13.
[4] Ebenda S. 16.
[5] Gerd Schneider, Christiane Toyka-Seid: Soziale Frage. In: Das junge Politik-Lexikon. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2023. (online)
[6] Christopher Clark: Frühling … [wie Anm. 1] S. 27.
[7] Ebenda S. 28 ff.
[8] Ebenda S. 16.
[9] Ebenda S. 38.
[10] Ohne Autor (Bettina von Arnim:) Dies Buch gehört dem König. Berlin: Gedruckt bei Trowisch und Sohn, ohne Jahr. (Digitalisat)
[11] Bettina von Arnim: Gespräche mit Dämonen. Berlin: Arnim’s Verlag, 1852. (Digitalisat)
[12] Ebenda S. 15.
[13] Ebenda ohne Seitenzahl (S. 1) (Digitalisat).
[14] Christopher Clark: Frühling … [wie Anm. 1] S. 604.
[15] Pia Schmid: Erfahrungen eines jungen Schweizers im Vogtlande (1843). In: Barbara Becker-Cantarino: Bettina von Arnim Handbuch. Berlin: De Gruyter, 2019, S. 411.
[16] Ohne Autor (Bettina von Arnim:) Dies … [wie Anm. 10] S. 537-538.
[17] Barbara Becker-Cantarino mit Ursula Liebertz-Grün: Die Buch gehört dem König. In: Barbara Becker-Cantarino: Bettina … [wie Anm. 15] S.
[18] Ohne Autor (Bettina von Arnim:) Dies … [wie Anm. 10] S. 532-533. (Digitalisat)
[19] Christopher Clark: Frühling … [wie Anm. 1] S. 135-155.
[20] Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers: PATRIARCHAT. In : Paris Tome 12, p 175, 1751.
[21] Christopher Clark: Frühling … [wie Anm. 1] S. 135.
[22] Ebenda S. 137.
[23] Torsten Flüh: Grandioses Großwerk durchglüht. Zur gefeierten Aufführung von Les Troyens durch Dinis Sousa als Ersatz für Sir John Elliot Gardiner beim Musikfest Berlin. In: NIGHT OUT @ BERLIN 5. September 2023.
[24] Christopher Clark: Frühling … [wie Anm. 1] S. 139.
[25] Ebenda S. 136.
[26] Ebenda S. 222.
[27] Ebenda S. 230.
[28] Ebenda S. 232.
[29] Ebenda S. 1024.
[30] Ebenda S. 1025.
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